Den folgenden Beitrag könnt ihr auch auf Spotify in der neuesten (vierten) Folge des Entenhausen Podcast hören.
Wer schreibt und zeichnet eigentlich die Geschichten aus Entenhausen? Wo kommen diese Comics her? Und warum sehen Donald, Micky und Co. manchmal so unterschiedlich aus?
Zuerst mal eine kleine Überraschung: Die Comics rund um Entenhausen, also Donald Duck, Micky Maus, Onkel Dagobert, werden heute gar nicht mehr in den USA produziert.
Obwohl alles dort begann, entstehen die meisten Geschichten heute in ganz anderen Ländern: In Italien, Dänemark, den Niederlanden, oder Brasilien.
Aber gehen wir mal kurz zurück zum Anfang: Der Mann, der Entenhausen im Grunde erfunden hat, hieß Carl Barks. Er arbeitete ab den 1940er Jahren für Disney und schrieb und zeichnete über 500 Donald-Duck-Comics. Er hat viele Figuren erschaffen, die wir heute kennen: Onkel Dagobert, Daniel Düsentrieb, Gustav Gans, Gundel Gaukeley – um nur ein paar zu nennen. Seine Geschichten waren nicht nur lustig, sondern oft auch gesellschaftskritisch, manchmal abenteuerlich, manchmal sehr menschlich. Er war übrigens so einflussreich, dass er später den Spitznamen „The Good Duck Artist“ bekam, weil anfangs nicht mal sein Name unter den Comics stand.
Heute sieht das aber ganz anders aus. Die meisten Duck-Comics entstehen nicht mehr in den USA, sondern zum Beispiel:
• in Italien, wo es riesige Teams von Künstlern gibt, die z. B. für Topolino arbeiten.
• in Dänemark, wo der Egmont-Verlag viele klassische Donald-und-Dagobert-Geschichten produziert.
• und auch in Ländern wie Brasilien, Frankreich, den Niederlanden.
Jedes Land hat dabei seinen eigenen Stil. Italienische Comics zum Beispiel sind oft abenteuerlich, mit langen Geschichten und manchmal sogar Superhelden-Versionen der Enten. Dänische Geschichten dagegen sind oft etwas kürzer, witziger und der Zeichenstil unterscheidet sich auch.
Vielleicht ist euch das auch schon aufgefallen: Im Lustigen Taschenbuch, also dem LTB, sind fast ausschließlich Comics aus Italien. Aber warum eigentlich?
Ganz einfach: Das Taschenbuch-Format selbst stammt aus Italien. In den 1960ern wurde dort das Konzept entwickelt, lange Donald-Geschichten in kleinen, dicken Taschenbüchern zu erzählen. Das kam super an und wurde vom deutschen Verlag Ehapa übernommen. Deshalb bekommst du im LTB fast nur italienisches Material.
In anderen Formaten, wie dem Micky Maus Magazin oder dem Donald Duck Sonderheft, finden sich auch Geschichten aus Dänemark oder anderen Ländern.
Egal ob aus Italien, Dänemark oder anderswo, die Comics aus Entenhausen sind das Ergebnis einer riesigen, internationalen Zusammenarbeit von Zeichnern, Autoren und Verlagen.
Daher möchte ich jetzt gerne kurz über die einzelnen Produktionsländer sprechen:
Italien ist das mit Abstand produktivste Land für Entenhausen Comics. Rund 8 000 Seiten neue Comics pro Jahr werden dort produziert, das entspricht etwa 50 % der weltweiten Neuauflagen. Verlage wie Disney Italia (ehemals Mondadori) geben unter anderem das Heftchen Topolino heraus, wöchentlich mit komplett neuen Geschichten. Typisch für die italienischen Comics sind lange Abenteuer, kreative Erzählweisen und viele neue Figuren. Italien entwickelt längere Geschichten (bis zu 30 Seiten als Standard) und treibt kreative Parodien und innovative Serien voran. Stilprägende Künstler aus Italien sind etwa Romano Scarpa, Giorgio Cavazzano, Massimo De Vita, Marco Gervasio, Giovan Battista Carpi oder Luigi Perego, die zur „italienischen Disney-Schule“ gehören und Klassiker wie Paperinik erschufen.
In Dänemark hat der Verlag Egmont das Zentrum seiner Produktion, mit Studios in den anderen skandinavischen Ländern. Viele Comics entstehen in diesen skandinavischen Studios oder von Freelancern. Viele Comics entstehen hier im klassischen Barks-Stil, eher humorvoller und kürzer als in Italien. Einer der größten Unterschiede zwischen den beiden Varianten ist Dagobert Duck. Während er in Italien auch mal Emotionen zeigt, ist er in Dänemark ein knallharter Geschäftsmann. Und während Donald Duck in Italien auch mal der Held ist, ist er in Dänemark der absolute Pechvogel. Der bekannteste Künstler aus dieser Region ist sicherlich Don Rosa, der berühmt für die Barks-Hommagen und seine preisgekrönte Serie über das Leben von Onkel Dagobert ist. Eigentlich ist Don Rosa US-Amerikaner, hat aber von dort für Egmont gearbeitet. Weitere wichtige Künstler wären etwa Vicar, Flemming Andersen, Arild Midthun oder Freddy Milton.
In den Niederlanden produziert DPG Media bzw. Sanoma (früher Oberon) eigene Disney-Hefte wie Donald Duck Weekblad. Viele Künstler und Autoren aus den Niederlanden arbeiten häufig auch für Egmont in Dänemark. Der bekannteste Künstler aus diesem Land ist wohl Daan Jippes.
In Frankreich selbst werden keine Serien oder regelmäßige Hefte wie in den oben genannten Ländern produziert, sondern die künstlerische Szene ist dort kreativer und experimenteller. Die Entenhausen Comics dort haben einen ganz eigenen Stil und werden sporadisch großformatig eher als Graphic Novels veröffentlicht. Der bekannteste Künstler aus diesem Land ist wohl Glénat.
Sonst gibt es in Europa keine eigenständigen Entenhausen Studios, aber Künstler aus allen Ländern können als Freelancer bei Egmont engagiert werden.
Außerhalb Europas ist Südamerika der größte Entenhausen Markt, wo es früher eigene Studios in Argentinien und Chile gab, die mittlerweile geschlossen sind. Einzig in Brasilien werden diese Comics weiter produziert, z.B. im Verlag Editora Abril, mit einer eigenen Tradition und stark lokalem Humor. Einige Figuren wurden dort neu erschaffen, die dort regional erfolgreich sind. Der bekannteste Künstler aus diesem Land ist wohl Waldyr Igayara de Souza.
International werden vor allem Comics aus Italien und Dänemark importiert, übersetzt und vertrieben. Die Niederlande, Frankreich und Brasilien sind, wie gesagt, die einzigen Länder neben den beiden Giganten mit einer eigenständigen Entenhausen Produktion.
Aber was ist mit den USA, dem Geburtsland von Entenhausen? Wann hörten die USA auf, Entenhausen-Comics zu produzieren?
Der Ursprung der Entenhausen Comics liegt in den 1930er–1970er Jahren. Diese klassische Ära begann mit Zeitungsstrips von Floyd Gottfredson (Micky Maus) und den Heftgeschichten von Carl Barks (Donald Duck, Onkel Dagobert). In dieser Zeit entstanden viele tausend Seiten, die heute als „Goldene Ära“ gelten. Bis ca. 1973 erschienen regelmäßig neue Geschichten von US-Zeichnern (u. a. Tony Strobl, Paul Murry). Um ca. 1980 stellte Disney in den USA die eigene Comic-Produktion ein, denn die Nachfrage war stark gesunken. Stattdessen setzte man auf den Import europäischer Comics (v. a. aus Dänemark und Italien). Ab da erschienen US-Hefte (z. B. „Donald Duck“, „Uncle Scrooge“) zwar weiter, aber mit importiertem Material. Verlage wie Gladstone, später Boom! Studios oder IDW Publishing, veröffentlichten in den USA zwar Disney-Comics, aber fast ausschließlich durch den Import europäischer Geschichten. Nur sehr vereinzelt entstanden neue US-Geschichten, z. B. einige Titel zu Filmen oder TV-Serien. Seit den 2000ern gibt es praktisch keine originären US-Produktionen von Duck- oder Micky-Comics mehr. Die USA sind heute nur noch Importmarkt für internationale Disney-Comics. Die aktuellen Ausgaben (sofern es überhaupt welche gibt) enthalten meist Comics aus Italien (Topolino) oder Dänemark (Egmont).
Zusammengefasst kann man sagen: In den USA wurden bis in die 1970er-Jahre hinein regelmäßig neue Entenhausen-Comics produziert, von Künstlern wie Carl Barks oder Floyd Gottfredson. Aber ab den 1980ern hörte Disney in den USA damit auf. Seitdem kommen die Geschichten fast ausschließlich aus Europa, besonders aus Italien und Dänemark. Heute ist die USA nur noch ein Lizenznehmer, nicht mehr der Ursprung von Donald Duck.
In Deutschland stammen fast alle Comics im Lustigen Taschenbuch aus Italien. Aber es gibt auch vereinzelt Geschichten aus anderen Ländern. Besonders im Donald-Duck-Sonderheft oder im Micky-Maus-Magazin tauchen hingegen regelmäßig überwiegend Geschichten aus Skandinavien, den Niederlanden oder Brasilien auf. Und ganz gelegentlich erscheinen sogar französische Künstlerausgaben, zum Beispiel in Form von Graphic Novels.
Wenn man den internationalen Markt anschaut, dann ist auch irgendwie logisch, dass in den Ländern, in denen Entenhausen Comics produziert werden, diese auch am häufigsten verkauft werden. Italien ist das Zentrum der weltweiten Entenhausen Comics. Hier werden mehr als 8.000 Seiten neue Comics pro Jahr veröffentlicht, was etwa 50% der weltweiten Gesamtproduktion entspricht.
Der deutschsprachige Raum (Deutschland, Österreich, die Schweiz, Südtirol) ist nach Italien der größte Konsummarkt für Entenhausen Comics. Allein das reguläre Lustige Taschenbuch verkauft pro Monat mehrere Hunderttausend Exemplare.
Skandinavien, die Niederlande und Brasilien sind daneben noch die wichtigsten Absatzmärkte für Entenhausen Comics.
Die restlichen europäischen (insbesondere Griechenland) und südamerikanischen Länder sowie die Türkei haben ebenfalls stabile Verkaufszahlen für Entenhausen Comics und aktive Fanszenen.
Großbritannien hingegen ist das einzige Land in Europa, in dem Entenhausen kaum eine Rolle spielt. Auch in Nordamerika, Australien und Neuseeland ist die verbliebene Fangemeinde sehr klein. Dazu kommen noch Asien und Afrika, wo Entenhausen fast keine Präsenz hat.
In Japan und anderen ostasiatischen Ländern sind die Entenhausen Charaktere sehr wohl bekannt und beliebt, aber aufgrund anderer Kontexte, wie Filme, Videospiele (z.B. Kingdom Hearts), Merchandise und Freizeitparks, aber die Entenhausen Comics werden nicht gelesen.
In der arabischen Welt waren die Entenhausen Comics ab den 1950ern und 60ern bekannt und beliebt, wurden auch regelmäßig ins Hocharabische übersetzt. Die Präsenz ist aber drastisch zurückgegangen und im Jahre 2020 wurde in Ägypten das letzte Micky Maus Heft gedruckt.
Interessant ist auch ein Blick darauf, welche Charaktere in welchen Ländern besonders beliebt sind. Während Donald Duck, Dagobert Duck und die Neffen Tick, Trick und Track sich international großer Beliebtheit erfreuen, werden andere Charaktere doch recht unterschiedlich wahrgenommen. Phantomias ist etwa in Italien extrem beliebt, Daniel Düsentrieb besonders in Deutschland und Gustav Gans stark in den Niederlanden. In Brasilien ist der Papagei José Carioca ein lokaler Star, kommt aber in Europa kaum vor.
Indiana Goof, oder wie er in Italien heißt: Indiana Pipps, mein persönlicher Liebling, ist vor allem im Herkunftsland Italien ein echter Star. Dort begleitet er Micky regelmäßig als verrückter Archäologe auf Schatzsuchen und Tempelabenteuer. In Deutschland ist er ebenfalls bekannt, vor allem durch das Lustige Taschenbuch. In Skandinavien oder Brasilien dagegen kennen ihn viele gar nicht, weil dort ganz andere Geschichten produziert werden.
Entenhausen-Comics sind in Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz so beliebt, weil sie dort früh ankamen und sich fest im Alltag verankerten. In Italien erschien schon 1932 das Magazin Topolino, in Deutschland folgten Micky-Maus-Hefte ab den 1950ern und das Lustige Taschenbuch ab 1967. Donald, Dagobert und Micky wurden zu ständigen Begleitern auf dem Schulweg, im Urlaub, beim Arzt im Wartezimmer. Und bis heute sind sie für viele ein Stück Zuhause, Nostalgie und Humor zugleich.
In Italien wurden die Comics schon früh für den italienischen Geschmack angepasst: lebendiger, wilder, humorvoller. Mit italienischem Alltag: Fußball, Pasta, Sommerferien, Vespas. Topolino wurde zum Kult-Heft für Jung und Alt, bis heute mit wöchentlichen Ausgaben.
Carl Barks’ Geschichten (aus den USA) machten Donald & Dagobert in Deutschland unglaublich populär, gerade durch ihren Witz, ihre Abenteuer und die klar gezeichneten Figuren. Später kamen viele italienische Geschichten dazu (über das LTB). Die Figuren passten einfach gut in den deutschen Zeitgeist: Etwa Donald als „Jedermann“, der immer verliert, aber nie aufgibt. Oder Dagobert als Kapitalist, den man trotzdem liebt. Besonders beliebt waren sie als Urlaubslektüre, Ferienhefte oder Zeitvertreib bei der Bahnfahrt.
Wenn ihr heute selbst Geschichten aus Entenhausen schreiben oder zeichnen wollt, müsst ihr euch bei Verlagen wie Egmont oder Panini bewerben, mit einem professionellen Portfolio. Ihr arbeitet dann als Freelancer, müsst den offiziellen Disney-Stil perfekt beherrschen und könnt, wenn alles passt, tatsächlich Geschichten mit Donald, Dagobert oder Micky erzählen. Der Weg ist schwer, aber es gibt auch heute noch Zeichner aus Deutschland, die das geschafft haben.
Man kann auch Autor für Entenhausen-Geschichten werden, ohne zeichnen zu können. Dafür bewirbt man sich bei Verlagen wie Egmont oder Panini mit einem fertigen Comic-Skript oder einer Story-Idee. Wenn die Redaktion das gut findet, beauftragen sie passende Zeichner und ihr bekommt als Autor ein Honorar. Die größte Herausforderung: Man muss den typischen Ton von Donald, Dagobert & Co. wirklich draufhaben und im Comicformat denken können.
Egmont in Dänemark hat eine lange Tradition der Kooperation mit Freelancern auf Englisch, in Italien hingegen ist es schwer reinzukommen, wenn man nicht in Italien selbst bestimmte Kunstschulen besucht und die richtigen Diplome hat.


