Serie: Untamed – Miniserie (abgeschlossen)

Großartig! Eine Netflix-Serie zwischen Western, Krimi und Naturgewalt.
Schon in den ersten Minuten von Untamed wird klar: Diese Serie ist kein Schnellschuss. Die Kamera verweilt andächtig vor den majestätischen Granitfelsen von Yosemite, saugt das goldene Licht der Wälder auf, folgt Flüssen, Seen und dem Himmel darüber und fast vergisst man dabei, dass in dieser atemberaubenden Landschaft ein Verbrechen geschieht.
Eine junge Frau stürzt vom berühmten El Capitan in den Tod. War es ein Unfall? Oder doch Mord? Ermittler Kyle Turner (Eric Bana), ein stoischer Ranger mit kaputter Seele und einem Alkoholproblem, das er so beharrlich ignoriert wie sein eigenes Trauma, begibt sich auf die Spur. Seine Reise durch die Wildnis fühlt sich oft an wie ein moderner Western, nur ohne Cowboyhüte. Stattdessen: Pferde, Pistolen, Einsamkeit und eine Vergangenheit, die ihn nicht loslässt.
Untamed ist keine klassische True-Crime-Adaption. Und gerade das macht ihren Reiz aus. Die Serie nimmt reale Gefahren und traumatische Ereignisse als Ausgangspunkt, erzählt aber eine fiktive Geschichte, die sich erschreckend echt anfühlt. Besonders stark ist dabei der innere Konflikt Turners, der zwischen Pflichtgefühl und persönlichem Schmerz zerrieben wird.
Die Serie lebt von Ruhe, nicht von Tempo. Von der Stille der Natur, in der das Drama umso lauter nachhallt. Wer sich auf die Langsamkeit einlässt, wird mit einer Tiefe belohnt, die sonst oft fehlt. Turner öffnet sich im Laufe der Ermittlungen einer neuen Kollegin – ein zarter Hoffnungsschimmer, ohne Kitsch.
Eric Bana liefert hier seine vielleicht beste Leistung ab: zurückgenommen, wuchtig, ohne Pathos. Kein unnötiges Drama, kein übertriebener Schmerz, stattdessen stille Wut, Enttäuschung, Trauer.
Auch visuell ist Untamed ein Erlebnis: Die Landschaft wird nicht bloß zur Kulisse, sondern zur Projektionsfläche. Chaos, Unberechenbarkeit, Erhabenheit, alles, was im urbanen Alltag verloren geht, ist hier präsent. Die Natur ist nicht nur schön, sie ist Wahrheit. Unbestechlich, gleichgültig, manchmal grausam.
Kein Close-up zu viel, kaum Musik, dafür eine fantastische Soundkulisse aus Wind, Wasser und Wildnis. Die Musik, wenn sie kommt, setzt gezielt emotionale Akzente, verstärkt den Sog, der einen in die Serie hineinzieht. Man will fast selbst losziehen, in diese Wälder und hat gleichzeitig Angst davor, was man dort finden könnte.
Natürlich ist Untamed nicht perfekt. Manche Wendungen sind vorhersehbar. Auch die kulturellen Aspekte der indigenen Bevölkerung bleiben eher am Rand, obwohl sie sich gut ins Thema eingefügt hätten.
Aber: Die Serie will keine bahnbrechende Krimistory erzählen. Es geht nicht nur darum, wer es war, sondern was es mit einem macht. Schuld, Verlust, Verdrängung – Themen, die sich wie Nebel über Yosemite legen.
Wer schnelle Crime-Dramen mit Cliffhanger-Garantie sucht, wird mit Untamed nicht warm werden. Aber wer sich auf ein entschleunigtes, visuell überwältigendes Drama einlassen kann, mit grandioser Landschaft, tollen Schauspielern und einem leisen, aber tiefen Sog, der ist hier genau richtig.
Am Ende bleibt Gänsehaut. Und das Gefühl, dass Untamed keine wahre Geschichte erzählt, aber vielleicht eine, die morgen genau so in den Nachrichten stehen könnte.
Fazit: Sehr zu empfehlen.

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