Gedankensprung: Lifestyle Games

Lifestyle Games, mein großer Feind.
Als Lifestyle Games bezeichnet man solche Spiele, die derart viel Geld benötigen – und damit auch Zeit – dass man keine Möglichkeit mehr hat, etwas anderes zu spielen. Beziehungsweise möchte man es meistern und vergisst darüber alles. Ein Spiel wird somit zu einem Lifestyle. Konkret bedeutet das, dass man ein Spiel kennenlernt, es einem gefällt, man dann noch eine Erweiterung dazu kauft und noch eine und noch eine, bis fünf Jahre vergangen sind und man fünfzehn Erweiterungen zuhause hat. Weil man das aber auch spielen will, braucht man Mitspieler. Nur, die meisten Leute, Gelegenheitsspieler wie ich, haben irgendwann keine Lust mehr, mit den ganzen Erweiterungen, den neuen Regeln und Modulen mitzuhalten, weshalb eine entsprechende Fangruppe gefunden werden muss. Dort wiegelt man sich dann gegenseitig auf, alles zu kaufen, was weiterhin zu diesem Spiel erscheint, sich wöchentlich oder sogar öfter zu treffen und es auch zu spielen, an Turnieren, Rankings und Meisterscheiften teilzunehmen. Je tiefer man dann in so ein Lifestyle Game einsteigt, desto weniger Zeit, Geld und Energie hat man für andere Spiele.
Eigentlich sind alle Sammelkartenspiele auch Lifestyle Games, allen voran Magic the Gathering, aber nicht nur. Ein gutes Beispiel ist auch Android Netrunner, von dem ich immer wieder höre, dass das Grundspiel den Leuten gefällt, aber weil sie nie Erweiterungen gekäuft hätten, hätte es keinen Sinn mehr gemacht zu einem entsprechenden Spieleabend zu gehen, weil man einfach nicht mehr mitkommt mit all den neuen Begriffen und Symbolen.
Das Spiel, das mich nun mit diesem Begriff vertraut gemacht hat, ist KeyForge. Grundsätzlich gefällt mir dieses Spiel sehr gut, aber mittlerweile gibt es schon die vierte Edition und die Gelegenheitsspieler sind großteils bereits bei der zweiten ausgestiegen. Auf Instagram habe ich mich darüber echauffiert, dass nun in der vierten Edition das Spiel eigentlich recht eindeutig zu einem Sammelspiel verkommen ist und dass die Werbung für diese neueste Edition gelogen hat, weil es den neuen Kartentyp eben nicht in jedem Deck gibt. Darauf wurde mir mehrfach geantwortet, dass KeyForge eben ein Lifestyle Game sei und man für das, was man liebt, halt in die Tasche greifen soll. KeyForge gefällt mir, aber ich liebe es nicht und so habe ich mich nun davon verabschiedet.
Lifestyle Games können aber auch diese gigantischen Kickstarter Minaturenspiele sein, wie zum Beispiel Gloomhaven. Man gibt einmal viel Geld aus, um sich diesen Schrank zu kaufen und dann hat man viel Spielzeit vor sich. Wenn man sich als Spielgruppe da wirklich hineinkniet und es komplett durchspielen möchte, bleibt kaum noch Zeit für etwas anderes. Dieses Spiel erfüllt dich komplett, wird also dein Lifestyle. Und daher wundere ich mich immer bei den neuen Riesenprojekten auf Kickstarter, wer denn die noch kauft. Und spielen Leute, die mehrere solcher Ungetümer zuhause haben, die wirklich alle?
Neben diesen wirklichen Lifestyle Games gibt es noch das sogenannte Completionist-Symptom. Ein Freund von mir kauft sich etwa alles, was zu Agricola gehört und auch ich habe einige Spiele, die mir so gut gefallen, dass ich mir jede Erweiterung, Minierweiterung und Promo dazu besorge. Und doch spielt mein Freund fast immer nur das Basisspiel von Agricola, weil er kaum jemand findet, der für mehr bereit ist. Genausowenig finde ich niemanden, der mit mir Carcassonne mit allen Erweiterungen spielen möchte. Doch selbst wenn wir jetzt für diese Spiele und deren Erweiterungen viel Geld ausgeben, ist es dennoch nicht so viel wie für ein Lifestyle Game. Vor allem frisst es nicht so viel Zeit und bei uns kommen regelmäßig andere Spiele auf den Tisch.
Ein Spiel, in welches ich mich richtig reingesteigert habe, also Diskussionen in Fan-Foren, Teilnahme an Wettkämpfen und ELO-Ranking, ist Blue Moon. Da wäre ich absolut bereit gewesen, dies zu meinem Lifestyle Game zu machen, wenn es nicht noch schnell wieder abgesetzt worden wäre. Kein anderes Spiel hat je wieder diesen Platz in meinem Herzen einnehmen können. Ich hatte gehofft mit KeyForge einen Ersatz gefunden zu haben, aber nein, kein Vergleich.
Wenn man richtig darüber nachdenkt, habe ich eigentlich kein konkretes Lifestyle Game, aber könnte man nicht meine ständig wachsende Sammlung an Brettspielen als Lifestyle bezeichnen. Statt viel Geld für ein Spiel auszugeben, gebe ich es für verschiedene aus. Statt regelmäßig zu einem bestimmten Spielevent zu gehen, besuche ich Spieleabende mit viel Auswahl. Statt ein bestimmtes Fan-Forum zu besuchen, tummle ich mich auf BoardGameGeek. Also Geld, Zeit und Energie, die ich für Spiele investiere, sind insgesamt wohl nicht weniger als andere für ihr Lifestyle Game ausgeben.
Ist dann Lifeystyle Game überhaupt der richtige Begriff? Könnte man nicht einfach Hobby dazu sagen?

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2 Antworten zu Gedankensprung: Lifestyle Games

  1. Andi schreibt:

    Ich verstehe dennoch nicht warum Keyforge ein „Lifestyle Game“ sein soll? Die Zusammensetzung der Decks wird von einem Algorithmus bestimmt. Natürlich kann es sein, dass du nicht die neue Fraktion hast oder einen neuen Kartentyp.
    MtG ist ein eigenes Hobby weil du dich auf die Jagd nach bestimmten Karten machst, dich mit deinem Deck und der Sortierung der Karten auseinandersetzen musst.
    Keyforge….2 decks bitte! Aufreißen und los geht’s…:)

    • wsnhelios schreibt:

      Natürlich, wenn ich mit meinem Kollegen spiele, nehmen wir einfach zwei zufällige Decks. Aber wenn ich zu einem Keyforge-Abend gehe, sitzen dort Leute, die sich über 100 Decks gekauft haben, die meisten davon kein einziges Mal spielen und nur das Beste auf den Tisch bringen. Denn die Decks sind leider nicht perfekt balanciert und keinesfalls gleichwertig. Sprich, wenn ich wirklich in die Szene einsteigen möchte, mit Turnieren und Ranking, wird es zu einem Lifestyle-Game.

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