Sportanime, bzw. Sportmanga ist ein sehr spezielles Genre innerhalb der großen Welt der Animes und Mangas. Ich möchte heute kurz darüber schreiben, weil ich selbst Opfer dieser gefinkelten aber absolut lobenswerten Psychologie geworden bin.
Was genau meine ich damit? Nun, Sportanimes und -mangas werden in den letzten Jahren Großteils von der japanischen Regierung subventioniert, um das Publikum dazu zu bewegen, sich für Sport zu interessieren (speziell wegen der anstehenden Olympische Sommerspiele 2020 in Tokyo) und im idealsten Fall diesen auch zu betreiben (Gesundheitsvorsorge ist in Japan schließlich ein sehr großes Thema). Das führt dazu, dass in diesen Serien die präsentierte Sportart nicht nur gezeigt, sondern detailliert erklärt wird. Wenn wir hier im Westen einen Sportfilm schauen, etwa einen Football-Film aus Hollywood, dann gehen die Macher davon aus, dass das Publikum sich damit bereits perfekt auskennt und eh nur Fans schauen, man geht also direkt in media res. In Japan ist das genau andersherum, man möchte ein Publikum ansprechen, das damit normalerweise nicht in Kontakt ist.
Sportanimes haben eigentlich schon eine sehr lange Geschichte hinter sich, wenn man etwa an Captain Tsubasa (1983, Fußball) und Mila Superstar (1969, Volleyball) denkt. Diese zeigen aber auch, dass am Anfang Sportanimes wie auch im Westen nur solche Sportarten behandelten, die auch beliebt sind und genug Publikum anlocken, um sich selbst zu finanzieren.
Man kann heute grundsätzlich vier Kategorien von Sportanime unterscheiden:
1) „Moe“ – Süße Mädchen machen irgendwas auf eine süße Art und Weise (Kawaii). Wenn das Publikum dadurch verleitet wird Sport zu treiben, dann ist da ja nichts Verkehrtes dran. Als Beispiel könnte aus der aktuellen Herbststaffel 2019 Rifle Is Beautiful genannt werden.
2) „Ultra“ – Action und Adrenalin pur. Hier wird Sport übertrieben dargestellt, sehr oft unrealistisch und die Sportler haben unnatürliche Kräfte. Wer das schaut und sich dann mit solchen Vorstellungen in einem Sportclub einschreibt, der kann nur enttäuscht werden. Bei „Moe“ wird Sport zumindest noch so dargestellt, wie er wirklich ist, nur halt in einem niedlichen Rahmen, hier ist das jedoch schon ziemlich falsch. Actionfans werden hier angesprochen, aber wie viele davon dann wirklich sportlich aktiv werden, sei dahingestellt. Ein Beispiel hierfür wäre Hinomaruzumou aus der Herbststaffel 2018.
3) „Drama“ – Realismus mit interessanten Charakteren und spannendem Plot. Ich vermute mal, dass dies die Kategorie ist, die die meisten dazu motiviert, sich für Sport zumindest zu interessieren, wenn auch nicht aktiv zu treiben. Hier gibt es wirklich einige Juwelen und absolut empfehlenswerte Serien, wie etwa Kaze ga Tsuyoku Fuiteiru aus der Herbststaffel 2018 oder Hoshiai no Sora aus der aktuellen Herbststaffel 2019.
4) „Fantasy“ – Hier werden einfach irgendwelche Sportarten erfunden. Diese Serien haben also nichts mit Olympia oder realen Sportclubs zu tun, sie werden aber trotzdem immer unter „Sport“ gelistet. Es gibt hier schon auch einige gute Serien, wie etwa Ao no Kanata no Four Rhythm aus der Winterstaffel 2016. Die meisten dieser Serien grenzen jedoch schon an Hentai, wie etwa Kandagawa Jet Girls aus der aktuellen Herbststaffel 2019.
Ich habe keine Übersicht darüber, welche Serien jetzt konkret irgendeine Subventionierung erhalten und irgendeine politische / pädagogische Motivation verfolgen, beziehungsweise welche Serien rein zu Unterhaltungszwecken existieren. Das ist aber auch für uns als Publikum nicht weiter relevant. Wenn uns was gefällt, schauen wir es, sonst nicht. Die ganzen Mechanismen hinter einer Produktion können wir durchaus ignorieren.
Ich schreibe das hier aber, weil mir selbst genau das passiert ist, was sich die Macher dieser Serien vermutlich erhoffen: Ich wurde ein Sportfan. Ganz konkret ein Tennisfan. Ich hatte nie irgendein Interesse an Tennis, habe es nie betrieben und nie verfolgt. Doch dann habe ich die Animeserie Baby Steps geschaut, die mir sehr gut gefallen hat. Diese Serie war nicht nur toll und spannend anzuschauen, sondern sie hat auch auf sehr gute Weise die Regeln, Details und Strategien des Tennissports präsentiert. Als die Serie fertig war, habe ich dann einmal in einer Zeitung einen Bericht über ein Tennismatch gelesen und es war total faszinierend, dass ich sämtlich Fachausdrücke kannte und den Bericht so gut verstand, als wäre ich ein langjähriger Tennisfan. Ich habe dann immer wieder Berichte gelesen, wenn ich die Zeitung zufällig in der Hand hielt und dadurch dann die verschiedenen aktiven Spieler kennengelernt, bis ich schließlich den Turnierkalender in Händen hielt und damit begann, aktiv im Internet Berichte zu den Spielen zu suchen, die mich interessierten. Mittlerweile ist Tennis für mich ein normaler Bestandteil des Alltags und weiteres Gesprächsthema mit meinen Arbeitskollegen in den Pausen. Und das alles nur, weil ich ein Anime geschaut habe.
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